Hundstorfer: Notwendige Anpassungen, um Finanzierbarkeit des Gesamtsystems zu sichern
Utl.: Hundstorfer: Notwendige Anpassungen, um Finanzierbarkeit des
Gesamtsystems zu sichern =
Wien (PK) - Die geplante Novelle zum Bundespflegegeldgesetz muss neu
eingebracht und beschlossen werden. Bei der namentlichen Abstimmung
im Nationalrat stimmte zwar eine Mehrheit - 89 pro- und 56 contra-
Stimmen - für das umstrittene Gesetz, der Beschluss ist aber einer
Entscheidung der Präsidiale zufolge ungültig, weil ein Feueralarm und
eine damit einhergehende Torsperre einige Abgeordnete daran gehindert
hat, rechtzeitig zur Abstimmung zu kommen. Der vorsitzführende Zweite
Präsident des Nationalrats verfügte jedoch über keinerlei
diesbezügliche Informationen, weshalb er die Abstimmung durchführte.
Nun muss das Gesetz, wie Nationalratspräsidentin Doris Bures bekannt
gab, neu eingebracht und im Sozialausschuss beraten werden. Dieser
wird noch heute tagen. Morgen wird die Tagesordnung des Plenums um
diesen Punkt ergänzt.
Abgelehnt wurden der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend die
Einführung eines Mindestlohns von 1.600 € und einer Mindestpension
von 1.200 € wie der Entschließungsantrag der Grünen, der darauf
abzielte, auf den erschwerten Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2 zu
verzichten.
Vom Nationalrat verabschiedet wurde darüber hinaus ein Gesetzespaket
mit zahlreichen Detailänderungen im Sozialversicherungsrecht sowie
eine Änderung des Notarversicherungsgesetzes. Anträge der Opposition,
etwa zum Pensionsrecht, erhielten keine Mehrheit. Allerdings wurden
einige Oppositionsanliegen mit den Gesetzesbeschlüssen miterledigt.
Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2 wird erschwert, Pflegegeld ab 2016
erhöht
Die Änderung des Bundespflegegeldgesetzes sieht nicht nur einen
erschwerten Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2 ab dem kommenden Jahr,
sondern auch eine Erhöhung des Pflegegeldes ab dem Jahr 2016 um 2 %
vor. Künftig müssen 65 bzw. 95 Stunden Pflegebedarf pro Monat
nachgewiesen werden, um Pflegegeld zu erhalten, das sind fünf bzw.
zehn Stunden mehr als bisher. Damit wollen die Regierungsparteien die
stetig steigenden Ausgaben der öffentlichen Hand für den Bereich
Pflege dämpfen. Nur so sei es möglich, das Pflegesystem in Österreich
auch langfristig stabil zu halten, sind sie überzeugt. Vor allem die
Förderung der 24-Stunden-Betreuung hat sich zuletzt budgetär stärker
als erwartet niedergeschlagen, auch für den Pflegefonds und die
Unterstützung pflegender Angehöriger wird laut Sozialminister Rudolf
Hundstorfer mehr Geld benötigt.
In der Pflegestufe 1 werden ab dann monatlich 157,3 € zur Verfügung
stehen, in der höchsten Pflegestufe, der Pflegestufe 7, sind es
1.688,9 €. Außerdem wird mit der Gesetzesnovelle das Informations-
und Beratungsangebot für PflegegeldbezieherInnen und ihre Angehörigen
verbessert und die Abwicklung von Förderanträgen im Bereich der 24-
Stunden-Betreuung vereinfacht.
In der Diskussion blieb die Opposition bei ihrer Kritik, FPÖ-Mandatar
Herbert Kickl sprach sogar vom "sozialpolitischen Schandfleck des
Jahres 2014". Durch den heutigen Beschluss werde ab 1. Jänner 2015
tausenden Menschen, die bisher Zugang zum Pflegegeld hatten, der
Zugang zu dieser wichtigen Sozialleistung gestrichen. Das Geld werde
dabei den Ärmsten der Armen, die sich nicht wehren können,
weggenommen. Auf der anderen Seite habe die Republik im Zuge des
Hypo-Debakels aber Milliarden aus dem Fenster geschmissen; dies sei
eine Schande. Vor allem die SPÖ, die immer eine Millionärsabgabe
fordere, sei völlig unglaubwürdig, wenn sie nun eine Art Armensteuer
einführe, beklagte Kickl. Außerdem werde es in ein paar Jahren zu
weiteren Kürzungen beim Pflegegeld kommen, wenn nicht endlich echte
Strukturreformen gemacht werden, warnte Dagmar Belakowitsch-Jenewein
(F). Auch die Erhöhung des Pflegegelds im Jahr 2016 könne nur als
Verhöhnung bezeichnet werden, da bis dahin der Wertverlust bei 35 %
liegen wird, meinte auch ihr Fraktionskollege Rupert Doppler.
Judith Schwentner von den Grünen zeigte sich enttäuscht über die
Vorgangsweise der Regierungsparteien. Der erschwerte Zugang zu den
Pflegegeldstufen 1 und 2 werde ihrer Meinung nach dazu führen, dass
noch mehr Menschen, vor allem Frauen, gefordert sind, ihre
Angehörigen selbst zu pflegen. Auch die Valorisierung des Pflegegelds
sei keine großartige Leistung, da der Staat aufgrund der
Verschärfungen bis zum Jahr 2016 sowieso Geld einspart, das er dann
wieder auszahlen kann. Schwentner brachte noch einen
Entschließungsantrag ein, in dem sie die Forderung aufstellt, die
Anhebung des Mindestpflegebedarfs in den Stufen 1 und 2 wieder
rückgängig zu machen.
Es stehe außer Zweifel, dass das Pflegegeld eine der größten
sozialpolitischen Errungenschaften ist, urteilte Waltraud Dietrich
vom Team Stronach. Seit seiner Einführung im Jahr 1993 sei es aber zu
einem Wertverlust im Ausmaß von 33 % gekommen, zeigte die Rednerin
auf. Auch die Einschränkung des Zugangs zu den ersten zwei
Pflegegeldstufen, der heute beschlossen werden soll, sei ihrer
Meinung nach ein völlig falscher Weg. Dietrich befürchtet, dass
dadurch die Menschen noch rascher in höhere Pflegestufen kommen, weil
sie nicht mehr ordentlich versorgt werden. Ebenso wie Schwentner war
sie der Meinung, dass die Valorisierung durch jene bezahlt werde, die
nun nicht mehr in die Pflegegeldstufe 1 oder 2 kommen werden. Ihre
Partei wünsche sich klare und transparente Finanzströme in diesem
Bereich sowie die Einführung einer staatlichen Pflegeversicherung.
Gerald Loacker von den NEOS stimmte mit seinen Vorrednern darin
überein, dass die Erhöhung des Pflegegelds durch einen erschwerten
Zugang zu den ersten Pflegegeldstufen finanziert wird. Dass die
Menschen spüren, hier werde keine ehrliche Sachpolitik gemacht, könne
man an den zahlreichen negativen Reaktionen zur Regierungsvorlage
erkennen. Außerdem habe er aufgrund von zahlreichen Gesprächen mit
Betroffenen den Eindruck, dass es noch viele Unklarheiten gibt, vor
allem was Menschen mit Behinderungen angeht. Völlig vergessen werde
in der Debatte auch auf die Situation der pflegenden Angehörigen, bei
denen es sich in erster Linie um Frauen handelt.
Koalitionsparteien verteidigen Anpassungen im Sinne der
Aufrechterhaltung des Gesamtsystems
Den Sozialdemokraten gehe es in erster Linie darum, das bestehende
gute Pflegesystem in einem bedarfs- und bedürfnisorientierten Zustand
zu erhalten, betonte Ulrike Königsberger-Ludwig (S). Aus diesem Grund
müsse man sich auch in verantwortungsvoller Weise mit dem Thema
Finanzierbarkeit auseinandersetzen und kontinuierlich prüfen, wo
Verbesserungen möglich und Nachschärfungen erforderlich sind. Mit
Nachdruck wies die Rednerin die Kritik der Freiheitlichen zurück, es
werde in diesem Bereich zu wenig getan. Derzeit beziehen 455.284
Menschen Pflegegeld, unterstrich Königsberger-Ludwig, insgesamt
werden 3 Mrd. € dafür ausgeschüttet. Sie wies zudem -ebenso wie ihre
Fraktionskollegen Johann Hechtl und Wolfgang Knes - darauf hin, dass
ab dem Jahr 2016 das Pflegegeld um 2 % erhöht wird. Dadurch werden
den Betroffenen zusätzlich 50 Mio. € zur Verfügung gestellt.
August Wöginger (V) wies eingangs darauf hin, dass in Österreich 5,3
% der Gesamtbevölkerung Pflegegeld beziehen. Der Anteil sei damit
doppelt so hoch wie in Deutschland. Man könne daher in keiner Weise
davon sprechen, dass es ein schlechtes System gebe oder dass den
Menschen etwas weggenommen werde. Es werde nämlich immer vergessen,
zu erwähnen, dass sich für die über 450.000 PflegegeldbezieherInnen
gar nichts ändere, sondern nur Neuanträge betroffen sind. Außerdem
sind die Änderungen, die gering ausfallen, aus seiner Sicht
vertretbar, da ein Gesamtpaket abgesichert werden müsse. Die
Freiheitlichen hingegen fielen nur mit populistischen Forderungen
auf, die bis zu 10 Mrd. € kosten würden. Wie das finanziert werden
soll, sage aber niemand, so Wöginger. Es falle niemandem leicht,
Anpassungen im Pflegebereich vorzunehmen, erklärte Franz-Joseph
Huainigg (V), aber er trage sie mit, weil das Gesamtsystem erhalten
werden müsse. Ebenso wie Gertrude Aubauer (V) sprach er noch die
geplante Erhöhung des Pflegegelds um 2 % ab dem Jahr 2016, den Ausbau
des Beratungsangebots sowie die Erleichterungen bei der 24-Stunden-
Pflege an; an einer umfassenden Strukturreform werde bereits
gearbeitet.
Sozialminister: Trotz Adaptierungen werde weiterhin mehr Geld für die
Pflege ausgegeben
Sozialminister Rudolf Hundstorfer wiederholte die bereits erwähnten
Kenndaten im Bereich Pflege und merkte noch an, dass in Österreich 20
% der über 60-Jährigen Pfleggeld erhalten. Natürlich kümmere man sich
auch um pflegende Angehörige, hielt der Sozialminister den Kritikern
entgegen, heuer werden für diesen Bereich alleine 41 Mio. €
ausgegeben. Neu eingeführt wurden zudem die Pflegekarenz und die
Pflegeteilzeit, erinnerte er. Hundstorfer versicherte zudem den
MandatarInnen, dass in der Frage der behinderten Menschen sehr
intensive Gespräche mit den jeweiligen Organisationen geführt und
gemeinsame Lösungen entwickelt wurden.
Wenn man sich vor Augen halte, dass der Bund etwa 3 Mrd. € und die
Länder und Gemeinden ca. 1,5 Mrd. € für die Pflege bereitstellen,
dann sei man wohl ziemlich gut unterwegs. Es sei richtig, dass der
Zugang zu den ersten beiden Stufen nun "gedämpft" wird, räumte der
Minister ein, aber er sei auch verantwortlich dafür, dass die
nachhaltige Finanzierbarkeit des Gesamtsystems gewährleistet wird.
Auch wenn es unangenehm sei, stehe er persönlich dafür, den Menschen
die Wahrheit zu sagen, betonte Hundstorfer. Die Vorgangsweise der
Freiheitlichen, ständig völlig unfinanzierbare Versprechen abzugeben,
lehne er nämlich ab.
Breite Mehrheit gegen gesetzliche Pflegeversicherung
Mitverhandelt mit der Regierungsvorlage wurde ein Antrag des Team
Stronach betreffend Einführung einer gesetzlichen Pflegeversicherung
und ein Antrag der Grünen betreffend die Erstellung einer Studie zur
Situation pflegender Angehöriger. Beide Anträge wurden entsprechend
den Empfehlungen des Sozialausschusses abgelehnt. Eine
Pflegeversicherung sei kein geeignetes Instrument, um die
Finanzierung des Pflegegeldes langfristig sicherzustellen, zudem
würden dadurch die Lohnnebenkosten steigen, so die Argumente von
Seiten der SPÖ und der ÖVP in der Debatte. Was die Initiative der
Grünen anbelangt, so gab Johann Hechtl (S) zu bedenken, dass schon
einige Studien in diesem Bereich vorliegen und dass es vor allem um
die Umsetzung der bereits vorliegenden Erkenntnisse geht. Dies sei
dem Sozialminister bisher auch sehr gut gelungen, war der Redner
überzeugt.
Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz bringt Verbesserungen für Eltern
behinderter Kinder
Mehrheitlich verabschiedete der Nationalrat ein Gesetzespaket, das
zahlreiche Detailänderungen im Sozialversicherungsrecht bringt. So
werden Eltern, die behinderte Kinder pflegen, pensionsrechtlich
schrittweise mit jenen Personen gleichgestellt, die nahe Angehörige
betreuen. Zudem können sie künftig einer beschränkten
Erwerbstätigkeit nachgehen, ohne die Möglichkeit zur
Selbstversicherung in der Pensionsversicherung zu verlieren. GSVG-
Versicherten wird die Möglichkeit eingeräumt, freiwillig höhere
vorläufige Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen, wenn absehbar ist,
dass ihre Einkünfte im laufenden Jahr erheblich steigen werden. Im
Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) werden jene Bestimmungen neu
gefasst, die regeln, wann am Hof mitarbeitende Kinder eigenständig
versichert sind. Verschiedene Änderungen werden auch beim
Rehabilitationsgeld vorgenommen.
Aufgegriffen wurde auch ein Anliegen der Grünen: Die Bestimmungen im
ASVG, wonach im Falle eines längeren Auslandsaufenthalts unter
bestimmten Umständen Pensionsleistungen und Dauerrenten aus der
Unfallversicherung ruhen, werden ersatzlos gestrichen.
Opposition sieht positive und negative Punkte im Gesetz
Im Rahmen der Debatte kündigte Abgeordnete Carmen Schimanek die
Ablehnung des Gesetzespakets durch die FPÖ an, auch wenn dieses, wie
sie festhielt, etliche positive Punkte enthalte. Sie bedauerte jedoch
unter anderem, dass Eltern, die behinderte Kinder pflegen, auch in
Zukunft nicht in allen Belangen jenen Personen gleichgestellt sind,
die nahe Angehörige betreuen.
Auch die Grünen sehen im Gesetzentwurf sowohl positive als auch
negative Punkte. So begrüßte Abgeordnete Judith Schwentner zwar, dass
Eltern, die behinderte Kinder pflegen, künftig einer
Nebenbeschäftigung nachgehen können, kritisierte aber, dass es nicht
möglich sei, sich rückwirkend kostenlos selbst zu versichern. Dass
die Grünen dem Gesetzespaket insgesamt nicht zustimmen, begründete
Schwentner damit, dass Rehabilitationsgeld in Zukunft ruhend gestellt
werden kann, wenn die BezieherInnen den Anordnungen der Krankenkassen
nicht folgen. Es handle sich um eine sehr unklare Regelung, meinte
sie. Schwentner fürchtet, dass Tausende von dieser Bestimmung
betroffen sein werden.
Positiv wurde die Gesetzesnovelle von den Abgeordneten Johann Singer
(V), Johann Hell (S) und Michael Hammer (V) bewertet. Es handle sich
in Summe um positive Regelungen, betonte Singer und hob wie die
anderen beiden Abgeordneten etwa die Besserstellung von Eltern
hervor, die behinderte Kinder pflegen. Singer verteidigte außerdem
die neue Möglichkeit, Rehabilitationsgeld bei einer wiederholten
Verletzung der Mitwirkungspflichten des Beziehers bzw. der Bezieherin
ruhend zu stellen. Für ihn ist es wichtig, dass die
LeistungsbezieherInnen daran mitwirken, gesund zu werden.
Weitgehend zustimmend zum Gesetz äußerte sich auch NEOS-Abgeordneter
Gerald Loacker. Kein Verständnis zeigte er allerdings dafür, dass
innerhalb des BSVG weiter Mehrfachversicherungen möglich sein werden.
Für Loacker sind doppelte und mehrfache Pflichtversicherungen
insgesamt ein Problem, er sprach sich in diesem Sinn dafür aus,
Einkommen aus verschiedenen Erwerbstätigkeiten zusammenzuzählen und
die betroffene Person jenem Sozialversicherungsträger zuzuordnen, bei
dem der überwiegende Teil der Sozialversicherungsbeiträge anfällt.
Matthias Köchl von den Grünen machte sich dafür stark, die
Mindestbeitragsgrundlage für die Kranken- und die
Pensionsversicherung im GSVG abzuschaffen bzw. sie auf die
Geringfügigkeitsgrenze nach dem ASVG abzusenken. Gerade für viele
Einpersonenunternehmen seien die Pflichtversicherungsbeiträge eine
enorme Belastung, argumentierte er.
FPÖ-Abgeordneter Werner Neubauer wies darauf hin, dass viele
ÖsterreicherInnen armutsgefährdet bzw. manifest arm seien. Immer mehr
würden mit ihrem Einkommen nicht mehr auskommen, klagte er. Statt die
Menschen zu entlasten, würde die Bevölkerung aber immer stärker
belastet. In einem Entschließungsantrag plädierte Neubauer dafür, die
Pensionssicherungskommission zu reformieren und inhaltlich neu
auszurichten.
Mit dem mehrheitlichen Beschluss des Sozialversicherungs-
Anpassungsgesetzes wurden auch zwei Anträge der Grünen (536/A(E),
604/A(E)) miterledigt. Ein weitergehender Antrag der FPÖ zur
Selbstversicherung von Eltern behinderter Kinder fand keine Mehrheit.
Auch verschiedene im Zuge der Debatte von der Opposition eingebrachte
Entschließungsanträge blieben in der Minderheit. Im Konkreten geht es
um die Forderung der FPÖ, die Pensionssicherungskommission zu
reformieren und inhaltlich neu auszurichten, die Forderung der
Grünen, die geltende Mindestbeitragsgrundlage für die Kranken- und
die Pensionsversicherung im GSVG auf die Geringfügigkeitsgrenze nach
dem ASVG abzusenken, sowie die Forderung der NEOS, Mehrfach-
Pflichtversicherungen abzuschaffen.
Team Stronach will Freiwilligenarbeit für Pension anrechnen
Ebenfalls vom Nationalrat abgelehnt wurden ein Antrag der Grünen, für
Rehabilitationsgeld eine Untergrenze in der Höhe der Ausgleichszulage
zu verankern, sowie ein Antrag des Team Stronach, Freiwilligenarbeit
in einem adäquaten Verhältnis für die Pension anzurechnen. Markus
Vogl (S) wies darauf hin, dass Menschen, die das Freiwillige Soziale
Jahr absolvieren, ohnehin pensionsversichert seien. Darüber hinaus
solle Freiwilligenarbeit Freiwilligenarbeit bleiben, betonte er.
Seitens der ÖVP machte Michael Hammer geltend, dass auf Bundes-,
Länder- und Gemeindeebene laufend Maßnahmen gesetzt würden, um
Freiwilligenarbeit zu fördern. Zum Antrag der Grünen hielt Vogl fest,
niemand, der Rehabilitationsgeld erhalte, würde gegenüber der alten
Rechtslage schlechter gestellt.
Kein Verständnis für die Ablehnung seines Antrags äußerte Team-
Stronach-Abgeordneter Rouven Ertlschweiger. Seiner Meinung nach wird
Freiwilligenarbeit in Österreich zu wenig gewürdigt. Er hält es daher
für notwendig, konkrete Schritte zu setzen. Auch FPÖ-Abgeordneter
Rupert Doppler schloss sich dem Anliegen des Team Stronach an und
erinnerte daran, dass es sich dabei um eine alte Forderung der FPÖ
handle.
NotarInnen können weiter mit 65 Jahren in Pension gehen
Einstimmig nahm der Nationalrat eine Novelle zum
Notarversicherungsgesetz an. Sie soll unter anderem gewährleisten,
dass Notarinnen und Notare weiter mit 65 Jahren in Pension gehen
können. Allerdings drohen ihnen in diesem Fall Pensionsabschläge von
bis zu 24%. Grundsätzlich ist für NotarInnen laut einem bereits im
Jahr 2006 gefassten Beschluss ein Regelpensionsalter von 70 Jahren
vorgesehen, bis zum Jahr 2027 gelten allerdings Übergangsfristen. Zu
den Dutzenden weiteren Punkten der Gesetzesnovelle gehören auch die
Anpassung des Gesetzes an das Eingetragene Partnerschafts-Gesetz,
neue Vorschriften für Notar-Partnerschaften und restriktivere
Vorgaben für die Versicherungsanstalt, was die Anlage von Vermögen
betrifft.
Wie ÖVP-Abgeordnete Martina Diesner-Wais erläuterte, verfügen die
NotarInnen über ein autonomes Versicherungssystem, das sich selbst
finanziert. Dieses System funktioniere gut, betonte sie.
Krankenversicherung: Grüne fordern Entlastung von PensionistInnen
Zwei Anträge der Grünen wurden an den Gesundheitsausschuss
weitergeleitet. Zum einen geht es um die Forderung von Abgeordneter
Judith Schwentner, von PensionistInnen keinen Zusatzbeitrag zur
Krankenversicherung einzuheben, wenn sie bei ihrem Partner bzw. ihrer
Partnerin mitversichert sind (773/A(E)). Zum anderen spricht sich
Schwentner dafür aus, jene Bestimmung im Gewerblichen
Sozialversicherungsgesetz (GSVG) zu streichen, die normiert, dass
Selbständige, die nach diesem Gesetz versichert sind, nur bis zur
Vollendung des 60. Lebensjahrs eine Zusatzversicherung auf
Krankengeld abschließen können (774/A(E)).
Ausführliche Debatte über Pensionsrecht
Eine Reihe von Oppositionsanträgen bildete die Grundlage für eine
ausführliche Debatte über Fragen des Pensionsrechts. Sowohl die NEOS
(621/A(E)) als auch das Team Stronach (562/A(E)) fordern eine weitere
Harmonisierung der pensionsrechtlichen Bestimmungen, da es ihrer
Meinung nach immer noch eklatante Unterschiede bei der Berechnung von
Beamtenpensionen und von ASVG-Pensionen gibt. Außerdem drängen die
NEOS auf bessere Rahmenbedingungen für die betriebliche und die
private Pensionsvorsorge (714/A(E)) sowie eine vorzeitige Anhebung
des Frauenpensionsalters (739/A(E)). Die Grünen machen sich dafür
stark, den Pensionssicherungsbeitrag für Beamtenpensionen und ÖBB-
Pensionen unter der ASVG-Höchstgrenze zu streichen (472/A(E)). Der
Antrag der Grünen wurde dem Verfassungsausschuss zugewiesen, die
anderen Anträge abgelehnt.
Auch ein im Zuge der Debatte von Abgeordneter Beate Meinl-Reisinger
eingebrachter Entschließungsantrag, der auf die Einführung eines
Pensionsautomatismus abzielt, fand keine Mehrheit. Konkret schlagen
die NEOS vor, das Pensionsantrittsalter dynamisch an verschiedene
demographische und wirtschaftliche Kennzahlen anzupassen. So sollen
etwa die steigende Lebenserwartung, die Erwerbsbeteiligung älterer
ArbeitnehmerInnen und die Produktivitätsentwicklung berücksichtigt
werden. Man müsse heute die Weichen stellen, wolle man das
Pensionssystem nachhaltig und generationengerecht absichern,
begründete Abgeordnete Beate Meinl-Reisinger den Antrag und sprach
sich in diesem Sinn ausdrücklich auch für eine vorzeitige Anhebung
des Frauenpensionsalters aus. Defizite ortet die Abgeordnete auch bei
der Pensionsharmonisierung, ihr zufolge werden bestehende
Ungerechtigkeiten noch jahrzehntelang fortgeschrieben.
SPÖ-Abgeordneter Josef Muchitsch äußerte sich zu den Anträgen der
NEOS ablehnend. Frauen hätten ein Recht darauf, auf die bestehende
gesetzliche Regelung vertrauen zu können, meinte er. Zudem sei es
jeder Frau unbenommen, länger zu arbeiten, wenn sie wolle und könne,
viele würden nicht zuletzt aus gesundheitlichen Gründen ab einem
gewissen Alter aber keinen Arbeitsplatz mehr bekommen. Eine Anhebung
des Pensionsalters würde für sie de facto eine Kürzung der Pension
bedeuten, machte Muchitsch deutlich. Er und sein Fraktionskollege
Walter Schopf brachen darüber hinaus eine Lanze für das staatliche
Pensionssystem. Wenn ein Pensionssystem sicher sei, dann sei es das
staatliche, sagte Schopf.
Ähnlich wie Muchitsch argumentierte auch Grün-Abgeordnete Judith
Schwentner. Sie machte darauf aufmerksam, dass ein Großteil der
Frauen derzeit von der Arbeitslosigkeit bzw. dem Krankenstand in die
Pension wechsle und nicht aus der Erwerbstätigkeit. Zudem seien
Frauen am Arbeitsmarkt noch lange nicht gleichgestellt. Zur Forderung
der NEOS nach einer Stärkung von Privat- und Betriebspensionen merkte
Schwentner an, das einzige System, dem sie angesichts des
wiederholten Zusammenbruchs der Kapitalmärkte vertraue, sei das
staatliche Umlagesystem.
Auch nach Meinung von FPÖ-Abgeordnetem Ruppert Doppler muss es
oberstes Gebot der Politik sein, das staatliche Pensionssystem
abzusichern. Die zweite und die dritte Säule des Pensionssystems
seien nichts anderes als ein Spielball von Versicherungen und Banken,
erklärte er.
Dem gegenüber äußerte NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker erhebliche
Zweifel daran, dass das staatliche Pensionssystem auch in Zukunft
sicher sein wird. Er bekräftigte daher die Forderung der NEOS,
Privat- und Betriebspensionen zu stärken. Konkret will Loacker jedem
Erwerbstätigen die Möglichkeit geben, ein Elftel seines Einkommens
steuerfrei in Pensionskassen einzuzahlen.
Seitens der ÖVP meinte Abgeordnete Gertrude Aubauer, es gebe eine
Reihe von Gründen, das Frauenpensionsalter vorzeitig anzuheben. Man
habe zwischen den Regierungsparteien aber vereinbart, zunächst einmal
abzuwarten, ob die bisher gesetzten Maßnahmen zur Anhebung des
faktischen Pensionsantrittsalters greifen. Unter anderem wies sie in
diesem Zusammenhang auf die Abschaffung der Hacklerpension und die
Reform der Invaliditätspension hin.
Aubauers Fraktionskollege Andreas Hangar hielt fest, wenn man von den
Menschen verlange, später in Pension zu gehen, müsse man auch dafür
sorgen, dass sie gesund seien. Für Hanger wäre es außerdem wichtig,
den Übergang vom Erwerbsleben in die Pension flexibler zu gestalten,
sowie die Einkommenskurven abzuflachen, um ältere ArbeitnehmerInnen
für Unternehmen attraktiver zu machen.
Team-Stronach-Abgeordnete Waltraud Dietrich und FPÖ-Abgeordneter Axel
Kassegger machten sich für eine gänzliche Abschaffung von
Pensionsprivilegien stark. Dietrich stellte in diesem Zusammenhang
die durchschnittliche Frauenpension Höchstpensionen bei der
Nationalbank gegenüber. Gleichzeitig wandte sie sich ausdrücklich
gegen eine vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsalters. Nach Meinung
von Team-Stronach-Klubobfrau Kathrin Nachbaur fehlen dafür derzeit
die entsprechenden Rahmenbedingungen wie eine ausreichende Zahl an
Arbeitsplätzen.
Gesundheitsminister Alois Stöger, der in der Debatte Sozialminister
Rudolf Hundstorfer vertrat, hob die Notwendigkeit hervor, vorrangig
das staatliche Pensionssystem zu stärken. Viele ArbeitnehmerInnen
hätten gerne eine Betriebspension, der Mehrheit der ÖsterreicherInnen
stehe eine solche aber nicht zur Verfügung, weil ihr Betrieb keine
solche anbiete, konstatierte er.
Koalition lehnt Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern ab
Schließlich lehnte der Nationalrat mit Stimmenmehrheit einen Antrag
der FPÖ ab, der auf eine Änderung der Organisationsstruktur der
Sozialversicherung abzielt. Die Freiheitlichen sprechen sich für ein
einheitliches System mit einheitlichen Beiträgen aus, nur so kann man
ihrer Ansicht nach eine schlanke, effiziente und zeitgemäße
Verwaltung gewährleisten. Die Forderung nach einer Zusammenlegung der
Sozialversicherungsträger sei schon uralt, meinte Abgeordneter
Herbert Kickl in der Debatte, seine Fraktion werde aber nicht
lockerlassen. Seiner Einschätzung nach kosten die derzeitigen
"Reibungsverluste" Milliarden, auch sein Fraktionskollege Axel
Kassegger ortet in diesem Bereich erhebliches Einsparungspotential.
Grüne und NEOS unterstützten ebenfalls die Initiative zur
Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger. Für Abgeordnete Judith
Schwentner ist es nicht einsichtig, dass je nachdem, bei welcher
Krankenkasse jemand versichert ist, unterschiedliche Leistungen
gewährt werden.
Dem gegenüber wies Abgeordneter Josef Muchitsch (S) auf den geringen
Verwaltungsaufwand in den einzelnen Sozialversicherungsträgern hin.
In der steirischen Gebietskrankenkasse betrage dieser etwa nur 1,7 %,
unterstrich er.
Abgeordneter Nikolaus Alm macht (N) auf Probleme für Unternehmen
aufmerksam, die dann entstehen, wenn Selbständige plötzlich zu
unselbständig Beschäftigten erklärt werden. Er ortet in diesem
Zusammenhang einen "verdeckten Kampf" der Sozialversicherungsträger
um Versicherte. Damit die für solche Fälle beim Hauptverband der
Sozialversicherungsträger eingerichtete Schlichtungsstelle nicht über
die Köpfe der Betroffenen hinweg entscheidet, forderte Alm die
Einräumung einer Parteistellung für alle betroffenen
Sozialversicherungsträger, Unternehmen und Versicherten. Er konnte
sich mit einem entsprechenden Entschließungsantrag aber nicht
durchsetzen. (Fortsetzung Nationalrat) sue/gs
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